Schränkchen mit Aufsatzwand, 1909, Kirschbaum massiv und furniert.
Ein typisches Möbelstück aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als noch der Historismus vorherrschte, sich aber die neue, von vielen Wegbereitern propagierte Formensprache bemerkbar machte, die hier einen jungen Tischler zur Auswahl seines Gesellenstückes überzeugt hat.
Der zweitürige Korpus mit den breiten Türrahmenansichten mutet in der kastigen Form seiner Zeit sehr voraus an, die damalige Furniertechnik auf Absperrplatten ermöglichte erstmalig die Herstellung von größeren ungegliederten Flächen von dauerhaftem Bestand. Auch die flächige Aufsatzwand mit dem intarsierten Frauenprofil verdankt seine Gestalt dem damaligen Fortschritt. Die weiteren Teile wie die achteckigen geschweiften Beine, der Steg, die Massivholzeinfassung der Aufsatzwand, die beiden seitlichen Minivitrinen in Rundform lassen ihren Entwurf aus dem Geist des Jugendstils erkennen. Da dieser jede Ableitung von historischen Stilen ablehnt und eigenständig arbeitet, ist dieses Schränkchen kein „Stilmöbel“, es stellt vielmehr eine Eigenschöpfung unter den gegebenen Voraussetzungen dar.
[Oliver Gradel: „Steinheimer Möbel“ in Sammler Journal 2012/09, Bild S. 90]