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Sputumfläschchen "Blauer Heinrich"

Krankenhausmuseum Bielefeld e.V. Entwicklung des Gesundheitswesens (in Bielefeld) [APV092]
Taschenspucknapf (Krankenhausmuseum Bielefeld e.V. CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Krankenhausmuseum Bielefeld e.V. (CC BY-NC-SA)
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Beschreibung

Taschenspucknapf: Sputumfläschchen, genannt "Blauer Heinrich", Dettweiler´s No 2. "Eiförmiges Gefäß mit einem aus kobaltblauem Glas hergestellten Unterteil und einem mit einer Gummidichtung versehenen Sprungdeckel" (Wikipedia), ausgestattet, der sich bei etwas Geschicklichkeit mit einer Hand öffnen lässt. Beschriftung (Gravur im Deckel, kreisförmig angeordnete Schrift): "Geheimrat Dr. Dettweiler's Taschenflasche für Hustende". Signatur im Glas, beidseitig, im handschriftlichen Stil diagonal platziert: "Dr. Dettweiler". Unter dem Klappdeckel befindet sich ein silberfarbener Trichter zur Aufnahme des Sputums. Dieser verhinderte, dass beim Umfallen des Fläschchens Sputum austreten konnte. Die blaue Farbe des Glases ermöglicht einerseits die Kontrolle des Inhalts, andererseits eine allzu genaue Sichtung. Der Fuß ist zu Entleerungs- und Reinigungszwecken abschraubbar.

Quellen: "Ueberhaupt hat er [der Patient C. A.] sich der Ordnung und Reinlichkeit in allen Stücken zu befleißigen, darf weder im Zimmer, noch auf dem Flur auf den Boden spucken. Wo es nöthig ist, sind Spucknäpfe hingestellt" (§3 der Hausordnung des Bielefelder Krankenhauses, gültig 1856-1899, in Wagner 1988). "Die Kranken waren verpflichtet, sich und die zugewiesenen Zimmer "reinlich" zu halten, ... die auf den Fluren aufgestellten Spucknäpfe zu benutzen, wenn sie denn schon spucken mußten. Das von den Patienten geforderte Verhalten war dabei nicht immer medizinisch begründet, sondern spiegelte vielmehr eine vom Bürgertum erhobene Forderung, die nicht nur im Krankenhaus, sondern auch im alltäglichen Leben Geltung haben sollte." (Wagner 1988, S. 153, Condrau 2000, S. 155). Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war die Verteilung von Spucknäpfen Teil der öffentlichen Wohlfahrtspflege. Dies gehörte zu den Informationskampagnen, die durch weitere konkrete Hilfen wie die Verteilung von Stärkungsmitteln (Lebertran, Milch) und Desinfektionsmitteln sowie durch Hilfen beim Ausfüllen von Anträgen zur Heilstättenbehandlung ergänzt wurden. Nach 1945 zeigten all diese Maßnahmen positive Wirkung, wie Zahlen aus Lippe belegen (Petermann in Küster 2014, S. 262).

Wie es seinerzeit in den Lungenheilstätten zuging, ist zutreffend auch in der Literatur beschrieben. So heißt es in Thomas Manns "Der Zauberberg" z.B. über den "blauen Heinrich": "»Ja, das ist, weiß Gott, eine nette Gelehrsamkeit. Die hätte ich gern im Dienste schon wieder verschwitzt«, erwiderte Joachim. »Aber ich habe noch Sputum«, sagte er mit einem zugleich lässigen und heftigen Achselzucken, das ihm nicht gut zu Gesichte stand, und ließ seinen Vetter etwas sehen, was er aus der ihm zugekehrten Seitentasche seines Ulsters zur Hälfte herauszog und gleich wieder verwahrte: eine flache, geschweifte Flasche aus blauem Glase mit einem Metallverschluß. »Das haben die meisten von uns hier oben«, sagte er. »Es hat auch einen Namen bei uns, so einen Spitznamen, ganz fidel." (Mann 1953, S. 28) »Der Ärmste!« sagte sie [Frau Stöhr. C.A.]. »Der pfeift bald aus dem letzten Loch. Schon wieder muß er sich mit dem Blauen Heinrich besprechen.« Ganz ohne Überwindung, mit störrisch unwissender Miene, brachte sie die fratzenhafte Bezeichnung »der Blaue Heinrich« über die Lippen, und Hans Castorp empfand ein Gemisch von Schrecken und Lachreiz, als sie es sagte." (Mann 1953, S. 113)

Zum Erfinder Dr. Dettweiler schreibt Dr. Henri Kugener: "Der Armeearzt Peter DETTWEILER (1837-1904) gilt als der Begründer der Ruhe- und Liegekuren bei Tuberkulose. ... DETTWEILER ... gründete 1876 das erste Lungensanatorium Deutschlands, die Heilanstalt in Falkenstein am Taunus, ... (heute Hotel Kempinski, Debusweg)"

Wichtig war dieses Hilfmittel in Aufklärungskampagnen (um 1911): Darin "hielt man zu hygienischem Verhalten und „vernünftiger Lebensweise" an; das Verbot „Nicht auf den Boden spucken" wurde ein Motto der Bewegung. Das Sputum sollte in einer „Taschenspuckflasche", genannt ,,Blauer Heinrich", gesammelt und desinfiziert werden" (Leven 1997, S. 114/15). Man stellte sich vor, dass der Auswurf an der Luft trocknen und in Staubform von gesunden Menschen eingeatmet und zu einer Infektion führen würde. Dabei war zu dieser Zeit bereits bekannt, dass hauptsächlich die z.B. beim Husten und Niesen frei werdenden Tröpfchen für die Übertragung der TBC maßgeblich sind (n. Flügge 1897, in Condrau 2000, S. 155).

Material/Technik

Glas/Metall

Maße

5,5 x 10,5 x 4,2 cm (BxHxT), Deckel-Durchmesser 4,2 cm, Rändelschraube am Fuß 2,6 cm Durchmesser.

Literatur

  • Bernd Wagner (1988): Das Bielefelder Krankenhaus im 19. Jahrhundert. Bielefeld, S. 153
  • Condrau, Flurin (2000): Lungenheilanstalt und Patientenschicksal. Sozialgeschichte der Tuberkulose in Deutschland und England im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Göttingen, S.155-157
  • Leven, Karl-Heinz (1997): Die Geschichte der Infektionskrankheiten. Landsberg/Lech, S. 114/115
  • Thomas Küster (Hg.) (2014): Westfälische Forschungen 64/2014, Zeitschrift des LWL-Instituts für westfälische Regionalgeschichte: Medizin und Gesundheit in der Sozialgeschichte des 18., 19. und 20. Jahrhunderts: Beispiele aus Westfalen. Münster, Petermann, Heike: Die Vorstellung vom besseren Menschen, S. 262
  • Thomas Mann (1924): Der Zauberberg. Berlin, S. 28 (PDF S. 14) und S. 113 (PDF S. 56)
Hergestellt Hergestellt
1904
Gebrüder Noelle (Lüdenscheid)
Lüdenscheid
Geistige Schöpfung Geistige Schöpfung
1889
Peter Dettweiler
Wiesbaden
1888 1942
Krankenhausmuseum Bielefeld e.V.

Objekt aus: Krankenhausmuseum Bielefeld e.V.

Das Krankenhausmuseum widmet sich der Historie des Krankenhauswesens in Bielefeld. Insbesondere die Geschichte des Klinikums Mitte wird in Wort, Bild...

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